Zweckverband Schienenverkehr Bodensee
Eine neue Struktur für den Schienenverkehr am Bodensee.
Effizient und wirkungsvoll. Zukunftsfähig. Regional verwurzelt.
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Die westliche Bodenseegürtelbahn von Radolfzell nach Friedrichshafen steht vor großen Herausforderungen. Die Strecke soll fit gemacht werden für dichtere Takte im SPNV, mehr Haltepunkte und eine größere Betriebsstabilität. Die aktuellen Planungen sind enttäuschend: Hohe Kosten und lange Umsetzungszeiträume prägen das Bild.
Gibt es eine Alternative? Ja: Ein Zweckverband Schienenverkehr Bodensee, der die Strecke in regionaler Verantwortung weiterentwickelt. Beispiele anderer Strecken in Baden-Württemberg zeigen, dass regionales Engagement im Schienenverkehr eine echte Erfolgsstory sein kann: Geringere Kosten und eine schnellere Umsetzung aufgrund einfacherer Planungs- und Genehmigungsverfahren machen regionale Lösungen gegenüber dem bundeseigenen Planungsregime attraktiv.
Warum ein Zweckverband?
Ein Zweckverband ist der rechtliche Rahmen für die Zusammenarbeit mehrerer Gebietskörperschaften in einem bestimmten Themenfeld. Der Zweckverband Schienenverkehr Bodensee (ZSB) würde zum Betreiber der Schienenwege (Eisenbahninfrastrukturunternehmen) von Radolfzell nach Friedrichshafen und zugleich Aufgabenträger für den SPNV auf dieser Strecke. So können künftige Infrastruktur und Fahrplan eng aufeinander abgestimmt und nach den Wünschen der Region gestaltet werden.
Bei allen Vorhaben würde gelten: Die Region hat das Heft des Handelns in der Hand. Der Landkreis Konstanz und der Bodenseekreis Friedrichshafen würden die Träger des ZSB und könnten dabei enorme Synergien nutzen.
Wo liegen die Synergien?
Beide Landkreise verfügen bereits heute über umfangreiche Expertise im Bereich des Schienenverkehrs: Der Landkreis Konstanz ist Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) der Strecke Stahringen-Stockach und Aufgabenträger (AT) des Seehäsle Radolfzell-Stockach. Der Bodenseekreis Friedrichshafen ist über seine Beteiligung an der Bodensee-Oberschwaben-Bahn Miteigentümer an einem Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU).
Zusammen verfügen der Landkreis Konstanz und der Bodenseekreis Friedrichshafen so bereits über eine 360-Grad-Perspektive auf den regionalen Schienenverkehr als EIU, EVU und AT. Was liegt also näher, als dieses Wissen zu bündeln und zum Vorteil der Bodenseegürtelbahn einzusetzen?
Der ZSB würde konkret Eigentümer der Strecken Radolfzell-Stahringen-Friedrichshafen Stadt und Stahringen-Stockach inklusive Aufgabenträgerschaft für beide Strecken. Die bisherigen Aufgaben des Landkreises Konstanz speziell für das Seehäsle würden folglich die Keimzelle des ZSB bilden und in diesem aufgehen. Das Asset des Bodenseekreises Friedrichshafen – das Miteigentum an der BOB – entfaltet seine Vorteile zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich für eventuelle Direktvergaben der Betriebsleistungen im SPNV auf einer sanierten Bodenseegürtelbahn an die BOB.
Was sind die Ziele?
Der ZSB würde sich in einer Startphase vorrangig um die Planungen zum Ausbau der westlichen Bodenseegürtelbahn Radolfzell-Friedrichshafen kümmern. Dazu gehört die Herstellung von zweigleisigen Abschnitten, die (Wieder-)Einrichtung von zusätzlichen Kreuzungsbahnhöfen und die Elektrifizierung. Auch an den Bestandsbahnhöfen und der Leit- und Sicherungstechnik sind einige Updates vorzunehmen, um künftig mehr und bessere Angebote für die Fahrgäste machen zu können.
Darüber hinaus engagiert sich der ZSB als Moderator und Impulsgeber für die Zukunft der öffentlichen Mobilität entlang der Bodenseegürtelbahn:
Anschluss-
mobilität
Bestmögliche Anbindung der Anliegergemeinden an die Bodenseegürtelbahn
Neue
Mobilitätsformen
Reallabor und Anwendungsfälle für autonome Shuttles im ländlichen Raum
Kooperations-
projekte
Impulse für angrenzende Strecken (z.B. Dornierbahn, Ablachtalbahn)
Politische Kommunikation
Vertretung der ÖV-Interessen entlang der Bodenseegürtelbahn
Andere Verkehrsträger
Konstruktiv-kritische Begleitung der Projekte anderer Verkehrsträger (z.B. B31neu)
...
Warum begünstigt der ZSB als regionaler Zweckverband die Entwicklung der Bodenseegürtelbahn?
Mit der Übernahme der westlichen Bodenseegürtelbahn in regionale Verantwortung untersteht die Streckeninfrastruktur nicht länger der Aufsicht durch das Eisenbahnbundesamt (EBA), sondern der Landeseisenbahnaufsicht (LEA).
Die Erfahrung von anderen Strecken hat gezeigt, dass die Verfahren der LEA schlanker, schneller und günstiger sind. Das liegt zum Teil an anderen Regelwerken, zum Teil aber auch an einer anderen Herangehensweise: Die Kommunikationswege sind kürzer, die Konfliktbeilegung ist partnerschaftlicher und die Lösungsfindung pragmatischer.
Was sind die Herausforderungen?
Die Übertragung der EIU- und AT-Rollen auf den Zweckverband Schienenverkehr Bodensee (ZSB) ist kein Selbstläufer. Zwei Stakeholder sind für das Gelingen von besonderer Relevanz:
- Das Land Baden-Württemberg muss bereit sein, die Aufgabenträgerschaft für die Strecke Radolfzell-Stahringen-Friedrichshafen Stadt auf den ZSB zu übertragen. Der Anteil an Regionalisierungsmitteln, der rechnerisch auf diese Strecke entfällt, ist ebenfalls auf den ZSB zu übertragen. So kann dieser in Zukunft die Betriebsleistungen im SPNV selbst bestellen und finanzieren.
- Die Bundesebene und die ihr gehörende DB InfraGO AG müssen bereit sein, das Eigentum an der Strecke auf den ZSB zu übertragen. Der Anteil an Mitteln aus dem BSWAG und der LuFV, die rechnerisch auf die Bodenseegürtelbahn entfallen, sind ebenfalls auf den ZSB zu übertragen. Nur so erhält der ZSB die Mittel, um den Ausbau der Schieneninfrastruktur zu gestalten und diese dauerhaft zu betreiben.
Gibt es eine realistische Chance?
Punkt 2 der oben angesprochenen Punkte ist der entscheidende und auch der schwierigere. Allerdings gibt es genau dafür bereits Vorbilder von anderen Strecken in Baden-Württemberg:
- Vorbild 1: Schönbuchbahn ▼
-
Strecke Böblingen – Dettenhausen
Eigentum und Aufgabenträgerschaft beim Zweckverband Schönbuchbahn (ZVS)
Verbandsglieder des ZVS
Landkreis Böblingen | Landkreis Tübingen - Vorbild 2: Wieslauftalbahn ▼
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Strecke Schorndorf – Rudersberg-Oberndorf
Eigentum und Aufgabenträgerschaft beim Zweckverband Verkehrsverband Wieslauftalbahn (ZVVW)
Verbandsglieder des ZVVW
Rems-Murr-Kreis | Stadt Schorndorf | Gemeinde Rudersberg
Beide Strecken kamen im Laufe der 1990er Jahre in die Obhut der Zweckverbände. Sie waren zuvor beide im Eigentum des Bundes - so wie die westliche Bodenseegürtelbahn heute noch.
Alternativen
Die Zusammenführung der Aufgabenträgerschaft für den SPNV mit dem Eigentum an der Schieneninfrastruktur in einer einzigen Organisation schafft besondere Synergien für eine Strecke. Jedoch ermöglichen auch abweichende Konstellationen erfolgreichen Bahnbetrieb, solange regionale Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Infrastruktur eingerichtet werden.
Das kann auch im Wege einer Eigentumsübertragung in die Region ohne Übertragung der Aufgabenträgerschaft gelingen (Alternative 1). Eine noch eingriffsärmere Variante ist die Verpachtung einer Strecke an eine regionale Institution (Alternative 2). Beide Alternativen wären auch für den ZSB und die westliche Bodenseegürtelbahn denkbar, denn erfolgreiche Vorbilder aus Baden-Württemberg gibt es für beides:
- Alternative 1: Eigentumsübertragung ohne Aufgabenträgerschaft ▼
-
Auch ohne eigene Aufgabenträgerschaft lassen sich Strecken in regionalem Eigentum erfolgreich entwickeln:
Beispiel Ermstalbahn
Metzingen – Bad Urach
Aufgabenträgerschaft beim Land Baden-Württemberg
Eigentum der Erms-Neckar-Bahn AG | ENAG | Privataktionäre, teils regional
Beispiel Ammertalbahn
Tübingen – Herrenberg
Aufgabenträgerschaft beim Land Baden-Württemberg
Eigentum des Zweckverbands ÖPNV im Ammertal | ZÖA | Landkreise Tübingen und Böblingen - Alternative 2: Pacht statt Eigentumsübertragung ▼
-
Auch ohne Eigentumsübertragung lassen sich Strecken durch langfristige Pacht von der DB InfraGO AG erfolgreich weiterentwickeln:
Beispiel Murgtalbahn
Rastatt – Freudenstadt
Aufgabenträgerschaft beim Land Baden-Württemberg
Eigentum der DB InfraGO AG
Pacht durch Albtal-Verkehrs-Gesellschaft | AVG | Stadt Karlsruhe
Zusammenfassung:
Kann der Zweckverband Schienenverkehr Bodensee Wirklichkeit werden?
1
Ja, denn: Der Landkreis Konstanz und der Bodenseekreis Friedrichshafen verfügen bereits über umfangreiche Expertise im Schienenverkehr.
2
Ja, denn: Die westliche Bodenseegürtelbahn hat keine Bedeutung im Schienenpersonenfernverkehr und nur geringe Bedeutung im Güterverkehr.
3
Ja, denn: Die Strecke liegt in Baden-Württemberg. Hier gibt es besonders viele Vorbilder und Erfolgsstorys mit Bahnstrecken in regionaler Trägerschaft.